Stoßdämpfer reparieren: Unterschiedliche Stoßdämpfer-Bauarten erfordern unterschiedliche Herangehensweisen

Technologie & Wissen
Juni 27, 2022 6 min lesen

Stoßdämpfer ist nicht gleich Stoßdämpfer – eine Tatsache, die sich vor allem bei Problemen rund ums Fahrwerk bewahrheitet. Einrohr-Stoßdämpfer, Zweirohr-Stoßdämpfer und elektronische Systeme: Verschiedene Bauarten erfordern in der Werkstatt unterschiedliche Herangehensweisen bei der Stoßdämpfer-Fehleranalyse und -Reparatur. Rainer Popiol, unser Head of BILSTEIN Academy, verrät, worauf Mechaniker bei der Stoßdämpfer-Reparatur achten müssen – und warum bestimmte Dämpfer härter werden, wenn Öl austritt.

Defekte Auto-Stoßdämpfer sind ein Sicherheitsrisiko

Stoßdämpfer sind sicherheitsrelevante Komponenten. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, den sicheren Kontakt zwischen Rad und Fahrbahn sicherzustellen. Sie Stoßdämpfer defekt, können die Räder springen, den Straßenkontakt verlieren und somit keine Quer- oder Längskräfte mehr aufbauen. Auch der Bremsweg kann sich durch defekte Stoßdämpfer erheblich verlängern. Zudem können Assistenzsysteme wie ABS und ESP nicht mehr korrekt arbeiten. Defekte Stoßdämpfer können schnell zu einem ernsthaften Sicherheitsrisiko werden.

Stoßdämpfer-Test & Schadensdiagnose: Defekte Stoßdämpfer erkennen

Defekte Stoßdämpfer erkennen: Unterschiedliche Bauarten erfordern unterschiedliche Herangehensweisen

Bei Problemen mit den Stoßdämpfern sollten sich Mechaniker zunächst bewusst machen, mit welchem System sie es zu tun haben, um zügig und sicher der Fehlerquelle auf die Spur zu kommen. Denn meistens bestehen unterschiedliche Symptome. „Die meisten Stoßdämpfer sehen von außen gleich aus. Doch es gibt grundsätzliche Unterschiede und Funktionsprinzipien“, erklärt Rainer Popiol mit Blick auf den Einrohr-Stoßdämpfer, den Zweirohr-Stoßdämpfer und elektronische Systeme.

Einrohr-Stoßdämpfer

Im Einrohr-Stoßdämpfer arbeitet der Arbeitskolben in einem Rohr, der mit Öl gefüllte Arbeitsraum sowie auch der Kolbenraum befinden sich hier zwischen Verschlusspaket und einem Trennkolben. Aus dem Kolbenraum heraus wird das Öl durch das Ventil (Federscheibenpaket) im Arbeitsraum hin und her gedrückt, wodurch sich die benötigten Dämpfkräfte für die Druck- und Zugstufe bilden. Hinter dem Trennkolben befindet sich der Gasraum. Dieses Gas hat zwei Aufgaben, wie Rainer Popiol verrät: „Eine Aufgabe ist es, die Ölsäule zusammenzupressen, damit sich keine Bläschen bilden – die sogenannte Kavitation. Dadurch bleibt der Einrohr-Stoßdämpfer kennungsstabil. Außerdem muss der Gasraum das Volumen der Kolbenstange aufnehmen, denn wenn der Stoßdämpfer arbeitet, wird die Kolbenstange in den Arbeitsrum hineingedrückt. Der Trennkolben wandert dementsprechend etwas.“

Zweirohr-Stoßdämpfer

Auch beim Zweirohr-Stoßdämpfer arbeitet der Arbeitskolben in einem mit Öl gefüllten Arbeitsraum. Wenn die Kolbenstange in den Stoßdämpfer gedrückt wird, wird das Öl verdrängt und unten durch das Bodenventil in den Ausgleichsraum gedrückt, der sich zwischen Rohr eins und Rohr zwei befindet. „Anders als der Einrohr-Stoßdämpfer arbeitet der Zweirohr-Stoßdämpfer aber nicht lageunabhängig“, so Rainer Popiol. „Ist der Stoßdämpfer mehr als 45 Grad geneigt, zieht er durch die Schräglage das Gas in das Innenrohr. Dann arbeitet der Gasdruckstoßdämpfer nicht mehr kraftschlüssig“.

Die Fehleranalyse bei Stoßdämpfern ist nicht immer einfach

Ob Einrohr-Stoßdämpfer oder Zweirohr-Stoßdämpfer: In Bezug auf die Fehleranalyse müssen Mechaniker ein paar Dinge beachten. Rainer Popiol: „Meistens ist es so: Wenn der Stoßdämpfer Öl verliert, dann wird er weicher. Dann gibt es aber ein Phänomen. Es gibt eine Bauart, da wird der Stoßdämpfer straffer. Das bedeutet, die Kolbenstange fährt gar nicht mehr richtig in den Stoßdämpfer hinein. Das ist der Einrohrstoßdämpfer. Wenn der Öl verliert, geht der Trennkolben nach oben Richtung Arbeitsraum. Und irgendwann berührt die Kolbenstange dann den Trennkolben und dadurch ergibt sich ein lautes, klopfendes Geräusch und das Auto wird härter.“

Werkstatt-Tipp 5: Stoßdämpfer-Fehleranalyse

Ob man es mit einem Einrohr- oder einem Zweirohr-Stoßdämpfer zu tun hat, ist selbst für Kfz-Profis nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. „Bei Stoßdämpfern, bei denen sich das Rohr verjüngt, handelt es sich in der Regel um einen Zweirohr-Stoßdämpfer, weil sich darin ein weiteres Rohr befindet“, weiß Rainer Popiol. „Der Einrohr-Stoßdämpfer ist in seiner Bauform immer zylindrisch, weil der Arbeitskolben durch das gesamte Rohr wandert.“

Besondere Herausforderung: Einrohr-Stoßdämpfer in Upside-Down-Ausführung

An der Vorderachse kommen in der Regel MacPherson-Federbeine zum Einsatz. Weil sie Radführungsaufgaben übernehmen und sie deshalb große Kräfte aufnehmen müssen, werden stabile Kolbenstangen mit größerem Durchmesser verwendet. Häufig werden deshalb Einrohr-Stoßdämpfer in Upside-Down-Ausführung genutzt, wie Rainer Popiol erklärt: „Dann ist der Dämpfer komplett umgedreht. Die Kolbenstange ist nicht mehr oben, sondern unten. Zwei Gleitlager übernehmen dann die Führung, damit die hohen Kräfte übertragen werden können.“ Die besondere Herausforderung bei der Fehleranalyse in der Werkstatt: „Beim Einrohr-Stoßdämpfer kann gar kein Öl oben heraustreten, weil sich die Kolbenstange unten befindet.“

Deshalb sei es für Mechaniker bei der Stoßdämpfer-Fehleranalyse in der Kfz-Werkstatt so wichtig, sich zu vergewissern, mit was für einem System sie es zu tun haben. „In unserem technischen Support werden wir beim Zweirohr-Stoßdämpfer häufig mit der Vermutung konfrontiert, dass es sich beim Austreten einer Art Emulsion um eine Öl-Leckage handelt. Meistens handelt es sich aber nur um ausgetretenes Fett, was ganz normal ist. Denn beim Upside-Down Zweirohr-Stoßdämpfer schmieren wir die genannten Gleitlager am Rohr mit einem Fett.“

Elektronische Stoßdämpfer-Systeme

Elektronische Systeme sind in der Regel an ihrer Verkabelung und ihren außen montierten Ventilen zu erkennen. Rainer Popiol: „Bei diesen aktiven bzw. semiaktiven Systemen prüfe ich die Elektronik mit meinen Diagnose-Tools, gehe durch den Fehlerspeicher und schaue mir das Ganze an. Ich checke, ob etwas mit dem Kabel nicht in Ordnung ist, ob ich einen Kabelbruch oder einen zu großen Übergangswiderstand habe usw.“ Doch die Betrachtung der Elektronik sei nur ein Teil der Fehleranalyse, warnt Rainer Popiol: „Das ist natürlich keine 100-prozentige Prüfung. Und Verschleiß kann ich dabei auch überhaupt nicht prüfen: Wenn die Elektronik so weit in Ordnung ist, das Fahrverhalten aber trotzdem schlecht, dann ist es durchaus möglich, dass wir es mit einem normalen Verschleiß zu tun haben. Und dann muss ich genauso prüfen, wie bei den passiven Systemen.“

Bei Problemen hilft der technische Support der BILSTEIN Academy

Bei hartnäckigen Problemen und Unklarheiten bei der Stoßdämpfer-Fehleranalyse stehen die Experten der BILSTEIN Academy zur Verfügung. Werkstatt-Profis können den technischen Support von BILSTEIN immer per E-Mail oder auch telefonisch kontaktieren, selbst wenn das Fahrzeug auf der Hebebühne steht und schnell Informationen benötigt werden. Alle Informationen finden Sie in unserer FAQ.

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